Funktionale Stimmentwicklung
Die Funktionale Stimmentwicklung folgt der Tradition der Meister der Belcanto-Ära. Sie ist nicht als eine Methode für das Erreichen bestimmter Klangideale zu betrachten. Keine bestimmten ästhetischen Ziele werden verfolgt.
Funktionale Stimmentwicklung richtet sich nach den Prinzipien, wie die menschliche Stimme funktioniert und ist demnach eine Arbeitsweise, die auf unumstößliche natürliche Gesetzmäßigkeiten aufgebaut ist. Eine andere Didaktik geht damit einher.
Diese Stimmarbeit ist genre-neutral.
Funktion: die natürliche Bewegung eines Systems. Im Gesang handelt es sich um ein organisches System.
Die Funktionen der Stimme werden von den primären Funktionen des Kehlkopfs (atmen und schlucken) abgeleitet.
Stimme geht aus dem Ergebnis dieser natürlichen Funktionen hervor und hat keine autarke Funktion. Es ist das Resultat eines koordinativen Prozesses, einem Komplex aus laryngealen und pharyngealen Muskeln.
Es gibt in diesem Prozess 2 Ebenen: Die muskulären Kontraktionen, welche die Länge und Spannung der Stimmlippen regulieren und die Positionierung des gesamten Rachenraums im Dienst der Resonanz.
Phonation ist im Verständnis der Funktionalen Stimmentwicklung das Ergebnis isolierter, aber trotzdem voll integrierter Funktionen der Stimm-Apparatur.
Im Bezug auf Gesang kann die Funktion natürlich oder unnatürlich, gesund oder ungesund, blockiert oder frei sein. Wie die Muskeln der Stimme während der Phonation positioniert sind ist von höchster Wichtigkeit.
Der funktionale Ansatz begreift Stimmbildung als die Korrelation zwischen einem Stimulus (durch Übungen)und die Aktivierung des reflektorischen Verhaltens des Stimmorgans. Dies ermöglicht und fördert das selbstregulierende System der Stimme. Da die innere Mechanik der Stimme zum vegetativen Nervensystem gehört, ist sie von der singenden Person nicht direkt steuerbar. Stimuli müssen entwickelt werden, um die inneren Funktionen zu aktivieren. Die Mittel, die Gesangspädagog:innen zur Verfügung haben sind Tonhöhe, Lautstärke und Vokal.
Ein Reiz (Stimulus) führt zu einer organischen Reaktion, die wiederum zu klanglichen Qualitäten führt.
Man setzt Übungen ein, die die reflektorischen Bewegungen des Stimmorgans anregen.
Alle wesentlichen Übungen der Funktionalen Stimmentwicklung sind durch die differenzierte Zusammensetzung der elementaren Parameter (Vokal, Tonhöhe, Lautstärke) auf eine konkrete stimmliche Anforderung zugeschnitten.
Die Stimuli -also die Übungen- sind nicht willkürlich, sondern werden gezielt auf das aktuelle Stimmproblem zusammengesetzt.
Jeder gesungene Ton lässt sich aus der jeweiligen Tonhöhe, der Lautstärke und dem Vokal zusammensetzen. Diese drei Parameter weisen eine konkrete Entsprechung in den Funktionen des Kehlkopfes auf. Sie sind demnach unmittelbar mit einer bestimmten Einstellung bzw. Muskeltätigkeit der Kehlkopfmuskulatur verknüpft. Aufgrund dieses direkten Zusammenhangs ist es möglich, durch gezielt angewandte Vokalisen die angestrebten Stimm-Funktionen zu stimulieren und die damit verbundene Koordination der Kehlkopfmuskeln systematisch zu trainieren.
Die Arbeit der Stimmbildung bewegt sich dabei im Spannungsfeld der beiden Gegenspieler: dem Brustregister und dem Falsettregister.